Patienten­informationen zu Neuraltherapie

Neuraltherapie bedeutet wört­lich übersetzt: Therapie über das Nerven­system. Bei vielen Erkrankungen ist das harmonische Zusammenspiel der Nervenfunktion gestört. Denken Sie daran, dass z. B. nervliche Überlastung Magengeschwüre, eine Gallenkolik, einen Migräneanfall auslösen kann. Aber auch viele andere Erkrankungen, bei denen man zunächst keine Fehlfunktion des Nervensystems vermutet, lassen sich durch die Neuraltherapie bessern oder heilen.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen: In die Praxis eines Neuraltherapeuten kam ein Mann mit so starken Ischiasschmerzen, dass er halb getragen werden musste. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass dieser Mann in seiner Jugend oft unter Mandelentzündungen litt. Die Mandeln wurden damals entfernt und er hatte dann auch keine größeren Beschwerden mehr. Trotzdem macht der Neuraltherapeut versuchsweise eine kleine Injektion mit Procain (ein leichtes Betäubungsmittel) in die Mandelnarben. Der Patient blickte ungläubig, bewegte sich vorsichtig, stand dann auf und hatte keine Schmerzen mehr. Er hatte ein „Sekundenphänomen“ erlebt. Seine Mandelnarben waren „Störfeld“ und hatten über das Nervensystem die Ischiasschmerzen verursacht. Durch die Procaininjektionen wurde das Störfeld beseitigt und damit auch die Ischiasschmerzen.

Diese Zusammenhänge hat im Jahre 1940 der Arzt Dr. Ferdinand Huneke entdeckt und mit seinem Bruder, ebenfalls Arzt, als Therapie ausgebaut. Sie haben ihre Erkenntnisse in folgenden Thesen zusammengefasst:

  • Jede chronische Krankheit kann störfeldbedingt sein, bis auf wenige Ausnahmen, die noch beschrieben werden.
  • Jede Stelle des Körpers kann zum Störfeld werden.
  • Die Procaininjektion an das schuldige Störfeld heilt die störfeldbedingten Krankheiten, soweit das anatomisch noch möglich ist, über das Sekunden-Phänomen.

Das bedeutet, dass jede Krankheit, besonders jede chronische Krankheit, störfeldbedingt sein kann, aber nicht sein muss. Man schätzt, dass 30 % aller als unheilbar geltenden chronischen Krankheiten störfeldbedingt sind. Ein Behandlungsversuch bringt Klarheit. Die Schwierigkeit ist das Auffinden des Störfeldes. Jede Narbe (auch wenn sie keine Beschwerden macht und schon alt ist), jeder tote oder entzündete Zahn, jede Entzündung (auch innere, wie z. B. ein Magengeschwür oder Unterleibs­entzündungen), können Störfeld sein.

Manchmal müssen Sie als Patient mit Ihrem Therapeuten Detektivarbeit leisten, um Narben zu finden, die z. B. in der Jugend entstanden sind und an die Sie gar nicht mehr denken, weil sie keine Beschwerden machen. Trotzdem können sie die schlimmsten Krankheiten verursachen.

In der letzten These der Brüder Huneke finden wir den Hinweis: „Soweit das anatomisch noch möglich ist.“ Das bedeutet: hat ein Störfeld eine Kniegelenksarthrose (Verschleiß) verursacht, so werden durch eine neuraltherapeutische Behandlung zwar die Schmerzen beseitigt, aber nicht der Gelenkverschleiß. Der Patient ist aber überglücklich, wenn er zwar behindert, aber ohne Schmerzen gehen kann.

Für die Erzielung des Sekundenphänomens hat Ferdinand Huneke folgende Bedingungen gestellt:

Bei der Injektion in das schuldige Störfeld mit Procain müssen alle von ihm ausgehenden Fernstörungen beseitigt sein, soweit das anatomisch möglich ist. Die völlige Symptomfreiheit muss mindestens 20 Stunden vorhalten, bei Störfeldern an den Zähnen mindestens 8 Stunden.

Das bedeutet, dass eine Beschwerdefreiheit, die keine 20 Stunden bzw. 8 Stunden vorhält, sondern vielleicht nur 5 oder 3 Stunden, nur unvollständig therapiert worden ist. In diesen Fällen existieren oft noch andere Störfelder, die nicht mitbehandelt wurden. Der Therapeut ist dann auf Ihre Mitarbeit angewiesen, um „versteckte“ Narben zu finden.

Gehen wir davon aus, dass die Beschwerdefreiheit bei Narben 20 und bei Zähnen 8 Stunden vorhält, so haben Sie die Chance, dass Sie wieder völlig gesund werden. Die alten Beschwerden kommen nach dieser Zeit in der Regel wieder, aber die gleiche Behandlung bringt sie auch wieder zum Verschwinden.

Der normale Verlauf ist dann so, dass die Beschwerdefreiheit nach der ersten Injektion z. B. einen Tag vorhält, die Wirkung der nächsten Behandlung drei oder vier Tage und nach der dritten Behandlung ein bis zwei Wochen anhält.

Nach fünf bis sechs Behandlungen ist in der Regel völlige Beschwerdefreiheit erreicht. Wichtig ist, dass Sie möglichst schnell wieder zur Behandlung kommen, wenn die Beschwerden zurückkehren. Sie dürfen also nicht enttäuscht sein, wenn nach der ersten Behandlung nach einem Tag die gleichen Beschwerden wieder da sind.

Halten Sie sich konsequent an die Weisungen Ihres Therapeuten, der wird Ihnen helfen.

In seltenen Fällen hat aber auch eine einzige Behandlung einen dauerhaften Erfolg beschert.

Nun ist das Procain ein leichtes Betäubungsmittel und die Vermutung bestand zunächst, dass diese „Betäubung“ für die Besserung verantwortlich ist.

Procain wirkt aber nur 20 Minuten betäubend, die Besserungen waren aber viel länger. Neueste Forschungen beweisen, wie Procain wirkt. Die normale Zelle hat ein Strompotential von 90 Millivolt, sie ist eine winzige Kalium-Batterie. Unter Störfeldeinfluss sinkt dieses Strompotential auf 10 bis 0 Millivolt. Eine Procaininjektion bewirkt für 20 Minuten eine Steigerung des Strompotentials auf 290 Millivolt, um sich dann auf 90 Millivolt einzupendeln. Die Zelle hat wieder ein normales Lebensmilieu.

Generell hat das Procain folgende pharmakologische Wirkung:

  • Es wirkt auf das vegetative Nervensystem ein, bei Übererregung dämpfend, bei Unterfunktion anregend – also normalisierend.
  • Es wirkt schmerzstillend, fiebersenkend und krampfmildernd.
  • Es wirkt gefäßdichtend und gefäßerweiternd und ist damit ein gutes Therapeutikum für Herz und Kreislauf.
  • Es stabilisiert das Nervensystem, setzt die Reizschwelle herauf und sorgt damit für „ein dickeres Fell“.
  • Es regt die Harnausscheidung an und normalisiert den Hormon- und Stoffwechsel-Haushalt.

Ursprünglich nannten die Brüder Huneke ihre Behandlung „Heilanästhesie“. Es war aber keine Betäubung, sondern eine Heilwirkung über das Nervensystem. Bevor die Brüder Huneke das Sekundenphänomen entdeckten, haben sie lange mit Procain behandelt.

Nun kommen wir zur 2. Säule der Neuraltherapie, die eigentlich die 1. ist: die Segmenttherapie. Der Neurologe Head hat entdeckt, dass die Oberfläche des Menschen in Zonen aufgeteilt werden kann, dessen Nervenendigungen zu einem bestimmten Bereich der Wirbelsäule laufen, dort umgeschaltet werden und weiter zu einem bestimmten Bereich im Körperinneren verlaufen. Head’sche Zonen wurden diese Segmente genannt. Das bedeutet in der Praxis: Liegt eine Gallenkolik vor, so strahlen die Schmerzen bis ins Segment aus. Man kann dort an der Haut schmerzhafte Punkte und Verdickungen (Gelosen) ertasten. Wird in diese Bereiche Procain injiziert, so kann die Gallenkolik beseitigt werden.

Ein weiterer Teilbereich ist das Anspritzen an bestimmte Nervenschaltstellen im Körper.

Was lässt sich nun mit der Neuraltherapie heilen bzw. bessern? Man kann sagen, dass alle Schmerzzustände und alle chronischen Krankheiten, vor allem die therapieresistenten, d. h. Krankheiten, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen, einen Versuch wert sind. Die Einsatzmöglichkeiten sind also sehr groß.

Ein Neuraltherapeut ist kein Wunderdoktor, obwohl die Erfolge manchmal ans Wunderbare grenzen. Das Spritzen ist nicht gerade angenehm, aber das Leiden, das Sie so quält, noch weniger. Bringen Sie etwas Mut mit und denken Sie an den Erfolg, den eine neuraltherapeutische Behandlung erreichen kann.